Zeitschriften, Magazine & Veröffentlichungen

Interview, IVH

2010 war ich Mitglied des DMRM e.V. (1. Deutscher Mäuse-Rassezuchtverein Muroidea e.V.) und im Zuge der Aufklärung der Öffentlichkeit hat sich die IVH an uns gewandt und mit mir ein Interview zum Thema “Geschlechtserkennung bei Farbmäusen” mit mir geführt.

Hier geht es zum Artikel: 
https://www.ivh-online.de/de/presse-medien/archiv/mitteilung-des-ivh-pressedienstes/news/detail/News/farbmaeuse-geschlecht-erkannt-gefahr-gebannt.html 

Artikel zur Farbmauszucht, RODENTIA

Information vorab:
Der Artikel ist aus dem Jahr 2004 und daher fachlich zum Teil überholt. Die Anzahl der Farbschläge, die eher selteneren Farben haben sich z.B. inzwischen deutlich verändert.

Mit freundlicher Genehmigung vom MS-Verlag, Münster
Rodentia Nr. 21, September/Oktober 2004, Seiten 23 bis 25

Von Sabine Schömer

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Hobbyzüchter von Farbmäusen rapide gewachsen. Doch leider unterschätzen viele derer, die sich an der Zucht versuchen, die Kosequenzen: Zucht ist nicht einfach das Zusammenbringen von Männchen und Weibchen mit dem Wunsch, süße Babys zu erzeugen. Zucht ist auch nicht der gedankenlose Satz: “Ich will doch nur einmal Nachwuchs haben!”. Zucht ist viel mehr.

Gedanken machen

Bevor es soweit ist, dass man die richtigen Tiere aussucht und zusammensetzt, muss noch viel erledigt werden. Zuerst müssen die richtigen Ziele für die Zucht gefunden werden. Ein wildes “Durcheinanderverpaaren” etlicher Farben bringt nichts. Ein Züchter sucht sich – je nach Platzangebot und Zeitaufwand – 1-3 Farben aus, die er züchten möchte. Tiefergehende Genetikkenntnisse sind zwar nicht unbedingt notwendig, aber man sollte wissen, wie die einzelnen Farben entstehen und wie sie vererbt werden. Das ist ein hartes Stück Arbeit und wer nicht die Geduld hat, sich damit vorher (!) auseinanderzusetzen, der ist als Züchter fehl am Platz.
Geklärt werden muss auch die Frage nach der Unterbringung. Es müssen ausreichend Unterbringungsmöglichkeiten für Gruppen, Zuchtpaare und kranke Tiere vorhanden sein; natürlich dürfen auch die Bereitschaft und das Geld für den Tierarzt nicht fehlen. Am besten eignet sich ein separater Raum, aber den kann natürlich nicht jeder zur Verfügung stellen. Farbmäuse, vor allem die Männchen, werden Geruch verursachen – und der ist nicht jedermanns Sache. Die Mitbewohner sollten ihr Einverständnis zur Anschaffung dieser Tiere erteilen, sonst gibt es über kurz oder lang wieder viele Mäuse, die abgegeben werden müssen.
Apropos neues Zuhause: Auch die neugeborenen Mäuschen müssen gewissenhaft vermittelt bzw. untergebracht werden – und zwar weder in einem Zoogeschäft noch im Tierheim. Mit Zucht übernimmt man Verantwortung für die neuen Lebewesen, und man kommt ihr keinesfalls nach, wenn man die Tiere in Zoogeschäft oder Tierheim abschiebt oder gar aussetzt. Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, den viele unterschätzen – und so wächst pausenlos die Anzahl der als “Notfallmäuse” titulierten Nager. Die vielen Helfer haben ihre liebe Not damit, die Mäuse vernünftig unterzubringen, weil eine unglaubliche Anzahl so genannter “Züchter” verantwortungslos handelt. Es ist kein Wunder, dass die Zucht inzwischen vielerorts verpönt ist. Die Anzahl der verantwortungslosen “Vermehrer” ist immer noch groß, und so werden die wenigen anders denkenden und handelnden Menschen, die eine Zucht mit Sinn und Verstand unterhalten möchten, mit jenen in einen Topf geworfen. Sich dagegen zu wehren, ist nicht einfach.
Geld kann man mit Farbmauszucht übrigens nicht verdienen. Sie ist vielmehr ein finanzielles Verlustgeschäft, denn die Kosten für Futter und Einstreu sowie der Zeitaufwand, den diese Tiere beanspruchen, sind höher, als mancher vielleicht glauben mag.

Farben aussuchen

Wie oben schon angesprochen, muss der Züchter im Voraus wissen, welche Farben er züchten möchte. Ob er sich nun an eher seltenen Farben erfreut oder häufiger zu findende Farben lieber mag, bleibt ihm überlassen. Jedoch sollte man seine Entscheidung eingedenk der Tatsache reifen lassen, dass sich nicht alle Linien problemlos kombinieren lassen. Bei zu unterschiedlichen genetischen Eigenschaften, wie z.B. den Farben Golden Agouti und Self Lavender (in vier von fünf Farbloci unterschiedlich), werden bei Vermischung zweier Linien viele mischerbige Tiere entstehen. Dies sollte der Züchter mit einem bestimmten Farbziel tunlichst vermeiden. Die Mäuse entwickeln sich auf diese Art und Weise eher zu “Überraschungspaketen” als zu hochwertigen Zuchttieren, denn Mischerbigkeit an zu vielen Loci führt fast immer zum Verlust der Farbintensität, und man hat selten noch den genauen Überblick über die Farbgene dieser Tiere.
Ebenfalls sollte man darauf achten, Farben auszuwählen, die sich in benötigter Intensität von roten und schwarzen Pigmenten ähneln. Ein Beispiel: Die Farben Golden Agouti und Self Black unterscheiden sich genetisch zwar nur in einem der fünf Farbloci, jedoch muss bei Golden Agouti Wert auf eine starke Ausprägung von den roten Pigmenten gelegt werden, während bei Self Black die schwarzen Pigmente interessanter sind. Eine Maus der Farbe Golden Agouti ist eben niemals einfach “graubraun” – sie besitzt im Idealfall eine tiefdunkle, rotbraune Färbung.

Zucht – wie beginnen?

Hat man sich mit Hilfe der einschlägigen Kenntnisse für “seine” Farben entschieden, kommt das nächste große Rätsel. Woher Zuchttiere bekommen, welche Tiere sind zuchtreif und wie züchtet man richtig?
Die geeigneten Mäuse bekommt man definitiv nicht im Zoofachgeschäft oder Tierheim – Futtermäuse sind ebenfalls tabu. Auch Tiere von Privatleuten, die zufällig oder absichtlich einmal oder öfter Jungtiere bekommen, sind zu meiden. Bleiben eigentlich nur noch andere Züchter, die nach den Grundsätzen dieses Artikels züchten. Und genau die sind leider zumindest in Deutschland noch spärlich gesät, für die Zuchtmäuse muss also oft ein längerer Weg in Kauf genommen werden. Dafür bekommt man aber auf alle Fälle gesundheitlich stabile, typvolle, kräftige und farbintensive Tiere, inklusive Stammbaum und oft auch Informationen zur Zuchtlinie.
Keinesfalls sind Mäuse mit Eintritt der Geschlechtsreife auch zuchtreif. Die Zuchtreife erlangen Farbmäuse nämlich erst mit etwa 12-15 Wochen, geschlechtsreif sind sie dagegen schon mit ungefähr 4-5 Wochen. Der Grund dafür ist einleuchtend: Die Mäuse befinden sich in den ersten drei Monaten in einer starken Wachstumsphase; erst mit ungefähr 5-6 Monaten sind sie komplett ausgewachsen.
Mäuse sind keine Gebärmaschinen. Ein stetes Zusammenlassen eines Zuchtpärchens ist daher nicht akzeptabel. Das Weibchen muss nach der Aufzucht eines Wurfes genügend Zeit bekommen, sich zu erholen. Da es in der Lage ist, direkt nach einer Geburt wieder gedeckt zu werden, muss das Männchen daher rechtzeitig herausgenommen werden. Schon mit zwei Würfen hintereinander können Ereignisse wie z.B. Auffressen der Jungtiere trotz ausreichender Eiweißzugabe oder fehlende/mangelnde Milchproduktion (Folge: Töten des Wurfes) zur Folge haben.

Farbschläge

Die Farbvielfalt bei diesem kleinen Nager macht es fast unmöglich, auf jede Farbe einzugehen. Derzeit sind allein in Deutschland über 50 Farbschläge (Scheckungs-Formen miteingerechnet) bekannt und meist auch problemlos irgendwo zu bekommen. Unter sehr begehrte Farben fallen Colourpoints wie beispielsweise Siamese Seal Point oder Siamese Blue Point. Diese Varianten zeichnen sich durch im Vergleich zum Rest des Fells sanfte dunklere Stellen aus (Points), die sich an Nase, Ohren, Füßen und Schwanzansatz wie auch am Schwanz selbst befinden. Dieser Effekt wird durch doppeltes Vorhandensein (Homogenität) des sog. Himalayan-Gens verursacht, wodurch die Grundfarbe in der beschriebenen Art und Weise verändert wird.
Der Siamese Seal Point hat im Idealfall ein beiges (kein weißes!) Fell, die Points sollten so dunkel wie möglich sein. Die Grundfarbe dieses Tieres ist Schwarz. Im Gegensatz dazu hat der Siamese Blue Point als Grundfarbe Blau, seine Points fallen blaugrau aus, und die übrige Fellfarbe ist etwas heller als beim Siamese Seal Point. Eine große Verwechslungsmöglichkeit besteht hier mit dem Farbschlag Himalayan, der zwar auch die üblichen Points aufweist, aber durch etwas andere genetische Hintergründe (ein Himalayan- und ein Albino-Gen) weißes Fell und wesentlich hellere Points besitzt. Zusätzlich sind die Augen eines Himalayan hellrot und nicht dunkelrot (“ruby eyed”), im Gegensatz zu den Siamesen. Die Zucht von Blue Himalayan ist ebenfalls möglich.
Zu den eher seltenen Farben zählen die roten Mäuse (Red), deren Farbe weitläufig auch als “gelb” bezeichnet wird. Manchmal werden solche Exemplare als leuchtend rot beschrieben, was viele Menschen fasziniert. Leider sind diese Mäuse mit einem Letalfaktor belastet, der sie oft auch unnatürlich dick werden lässt, was natürlich ein schwerwiegendes Gesundheitsproblem darstellt. Ebenfalls davon betroffen sind alle Farbschläge, die auf Red basieren, wie z.B. Cream, Sable (“Zobel”) und Marten Sable. Für jeden verantwortungsbewussten Züchter ist daher die Zucht solcher Tiere tabu – ohnehin wäre sie gesetzeswidrig!
Häufiger zu findende Farben sind Golden Agouti (die Wildfarbe), Self Black (komplett schwarze Tiere), Black Tan (Schwarz kombiniert mit lohfarbener (roter) Unterseite) sowie Self Dove, eine taubengraue Färbung mit roten Augen. Der Albino könnte an dieser Stelle auch genannt werden, er ist aber für Züchter größtenteils uninteressant. Als Zuchtfarbe wäre er zwar einfach zu handhaben, aber da er fast nur als Futtertier verkauft wird und von allen Farben am meisten auftritt, ist seine Vermittlung ein recht schwieriges Unterfangen.
Sehr beliebt sind auch immer noch Schecken aller Art, diese lassen sich mit sämtlichen Fabschlägen kombinieren. Die häufigste Scheckung wird oft als “Kuhmuster” bezeichnet, weil sich am kompletten Körper unregelmäßige weiße Flecken verteilen. Die richtige Bezeichnung für diese Art der Scheckung lautet Piebald. Darüber hinaus gibt es aber noch andere Scheckungs-Formen, wie z.B. den umgangsspachlich als “Schimmel” bezeichneten Farbschlag: Seine neben den weißen Flecken vorhandenen Farbflecken enthalten viele einzelne, weiße Haare, was den Schimmel-Effekt ausmacht (richtige Bezeichnung: Variegated). Zudem gibt es die mit Banded und Sash bezeichneten Scheckungen, bei denen sich ein weißer Ring um die Körpermitte bildet – bei Banded ein schmaler, bei Sash ein breiterer. Letztere Formen sind alle homozygot letal, d.h. bei Reinerbigkeit sind die Nager nicht lebensfähig. Ein Verpaaren zweier Mäuse mit gleicher Scheckung muss deshalb tunlichst vermieden werden. Die Kombination der verschiedenen Scheckentypen kann weiße Mäuse mit schwarzen Augen hervorbringen. Nach diesem Farbschlag wird oft gefragt, er ist aber relativ selten zu bekommen und vor allem sehr schwierig zu züchten, da häufig irgendwo ein Restchen Farbe an der Maus zu finden ist. Scheckungs-Formen sind übrigens mit jedem beliebigen Farbschlag kombinierbar.

Immer beachten

Wer sich das nun alles gründlich durchgelesen hat und nach seinem besten Gewissen handelt, der ist auf einem guten Weg, ein Hobbyzüchter zu werden. Wichtig ist, niemals gedankenlos zu agieren, sondern Herz und Verstand einzusetzen. Bei Farbmäusen gilt eben nie der Satz: “Je kleiner die Tiere, desto einfacher die Zucht!”